Taufe des Herrn (Mt 3,13-17)

Auszüge aus einer ostkirchlichen Hymne auf unsern Herrn und auf Johannes den Täufer.

 Er, der alle tauft, kam zur Taufe und tat sich kund am Jordan. Es sah ihn Johannes und zog seine Hand zurück, indem er also bittend sprach:

„Wie willst du, mein Herr, getauft werden, der du durch deine Taufe alle entsühnest?“...

Es spricht unser Herr: „Ich wollte es! Tritt heran und taufe mich, damit mein Wille geschehe. Meinen Willen zu zwingen vermagst du nicht. Ich werde von dir getauft, weil ich es so wollte.“

„Ich bitte dich, mein Herr, möge ich nicht dazu gezwungen werden! Denn unmöglich ist das, was du mir gesagt hast. Ich habe es nötig, dass du mich taufest; denn du machst mit deinem Ysop alle weiß.“

„Ich habe dich gebeten und es gefiel mir, dass es so geschehe. Und du, Johannes, warum streitest du? Lass die Gerechtigkeit sich erfüllen; Komm, taufe mich! Was stehst du zögernd da?“....

„Wie kann ein Splitter das Feuer mit Händen fassen, da er doch dürres Holz ist! O Feuriger, hab Mitleid mit mir! Lass mich dich nicht berühren! Denn es ist unmöglich für mich!“

...“Du fürchtest dich? Streite also nicht gegen meinen Willen! Und die Taufe harrt auf mich! Erfülle das Werk, zu dem du gerufen wurdest!“...

"Zu klein ist der Fluss, zu dem du kamst, dass du in ihn hineinsteigen und er dich fassen könnte! Die Himmel sind zu klein für deine Macht. Wie sollte die Taufe dich fassen?“

„Kleiner noch als der Jordan ist der Mutterleib. Und doch war es mein Wille, in der Jungfrau zu wohnen! Und wie ich aus ihrem Schoß geboren wurde, werde ich auch im Jordan getauft. ...

 O Stimme in der Wüste, erfülle das Werk, für das du kamst, damit die Wüste, in die du auszogst, erschalle von dem großen Frieden, den du in ihr verkündet hast!“

                         Übers. W. Nyssen  Veröffentlicht in : W. Nyssen, Atmen im Rhythmus des Lichts ( Köln 1993)

 

Am Sonntag nach Epiphanie feiern wir das Fest der Taufe des Herrn. Ein eigenartiges Fest! Das eher kurze Evangelium dieses Tages wirft bei näherer Betrachtung viele Fragen auf. Warum mußte Jesus überhaupt die Umkehrtaufe des Johannes empfangen?

Er, von dem Johannes bezeugt: Ich taufe euch nur mit Wasser der Umkehr. Der aber, der nach mir kommt, ist stärker als ich, und ich bin nicht wert, ihm die Schuhe auszuziehen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen! (Mt 3,11) Warum hat also nicht Jesus als der Stärkere den Johannes getauft?

Diese naheliegende Frage stellt auch Johannes selbst. In prophetischer Klarheit erkennt er, wen er vor sich hat, als Jesus an den Jordan kommt. Ein alter Hymnus aus der Ostkirche malt das Gespräch zwischen Jesus und Johannes, das uns im Matthäusevangelium erzählt wird, weiter aus.Zu klein ist der Fluss, zu dem du kamst, dass du in ihn hineinsteigen und er dich fassen könnte! Die Himmel sind zu klein für deine Macht. Wie sollte die Taufe dich fassen? Ja, es ist wirklich unfassbar! Wir haben uns ja mit Recht daran gewöhnt, in Jesus unseren Bruder zu sehen, aber vielleicht sollten wir uns doch das Staunen des Johannes zu eigen machen. Denn manchmal beschleicht ja vielleicht auch uns die etwas bange Frage: Ob sich wohl der unendlich große Gott ausgerechnet um mich kümmert, wenn ich zu ihm bete? Nimmt er mich kleine "Ameise" überhaupt wahr? Schauen wir noch einmal auf den ostkirchlichen Hymnus. Die Antwort, die Johannes auf seine staunende Frage erhält, ist vielleicht auch eine Antwort an uns:

 "Kleiner noch als der Jordan ist der Mutterleib. Und doch war es mein Wille, in der Jungfrau zu wohnen! Und wie ich aus ihrem Schoß geboren wurde, werde ich auch im Jordan getauft"

Eine andere "Erklärung" gibt es wohl nicht als die: Er selbst, der als Sohn immer Gott war und der immer bei Gott war, wollte in unsere irdische Wirklichkeit eintreten, weil dies dem Willen des Vaters entspricht. Er, der als Schöpfungswort jeden von uns ins Dasein gerufen hat, will von einem Menschen getauft werden. So wirkt göttliche Macht: Jesus stellt sich nicht über, sondern unter diejenigen, die er erlösen will. In voller Wirklichkeit taucht er sozusagen in dieses Leben des Menschen hinein, bis zum Ende am Kreuz. Aber nicht das Untertauchen bei der Taufe ist das Wichtigste, sondern die ganze Erzählung im Matthäusevangelium zielt darauf hin, dass der Vater ihn, der sich hat taufen lassen, als seinen geliebten Sohn bezeugt. Ebenso ist auch das Kreuz nicht das Ende des Weges Jesu, denn auch hier bezeugt der Vater seinen geliebten Sohn, indem er ihn von den Toten auferweckt . So ist die Taufe Jesu durch Johannes eine Vorwegnahme seines Weges, den er um unserer Erlösung willen geht.

An diesem Zeichen können wir sehen, dass Erlösung nicht Leidvermeidung bedeutet. Aber vielleicht können wir Dunkles, Schweres, das über uns zusammenschlägt, annehmen, weil Gott es will, wenn wir dieses Zeichen der Taufe Jesu im Jordan verstehen. Wenn wir erkennen, dass Jesus selbst mit uns in die Dunkelheit hinabsteigt, er, den der Vater als seinen geliebten Sohn bezeugt. Vielleicht könnten wir dann das Vertrauen aufbringen, dass er uns durch Tod und Dunkelheit hindurch mitnimmt, um uns zu seinem Vater zu führen.

Sr. Placida Bielefeld, Abtei Mariendonk