Der Schöpfer der Welt

Können wir wirklich davon ausgehen, dass unsere Welt getragen und erhalten wird? Erfahren können wir es jedenfalls eher selten. Denn 1) werden wir mit Krisenmeldungen nur so überschüttet, 2) ist die Welt trotz der Medien so unüberschaubar geworden, dass wir einfach mit unserem Vorstellungsvermögen überfordert sind. Welt, das sind die Menschen in Syrien, im Irak, in Afrika, aber auch der Kosmos mit der Grenzenlosigkeit von Zeit und Raum. Welt, das ist schließlich auch die konkrete eigene Umwelt.
Und diese Welt soll gehalten sein? Nicht den Launen oder begrenzten Entscheidungen von Menschen unterworfen, die alles zerstören können? Durch Krieg, Umweltsünden oder wie auch immer?
Man kann darüber nachdenken, in welcher Weise wir an einen allmächtigen Schöpfer des Himmels und der Erde glauben können, wenn die handgreifliche menschliche Erfahrung den Eindruck erweckt, dass diesem Schöpfer, wenn es ihn denn überhaupt gibt, die Welt zu entgleiten scheint. Bleibt uns heute nur die Rede von einem Gott, der alles ins Dasein gestoßen hat, und nun unberührbar in seiner göttlichen Welt lebt?
Wenn die Welt so ist, wie sie ist, wenn ich so bin wie ich bin, kann mich Gott denn da  überhaupt jemals lieben? Hat die Welt überhaupt eine Bedeutung für ihn? Die Antwort auf diese Frage können wir nur bei Gott selbst suchen. Sein Wirken in der Welt, sein Wort, und schließlich der Sohn, der Mensch geworden ist, bezeugen diese Liebe. “Und Gott sah, dass alles was er gemacht hatte, sehr gut war”, so endet der erste Schöpfungsbericht in Gen 1,31. Diese Zustimmung zur Schöpfung ist Gottes Liebe. Wie Augustinus immer wieder fasziniert feststellt, ist dieses “Ja, es ist gut!”Ausdruck dafür, dass Gott das Dasein seiner Geschöpfe “will”. Auch für jeden Einzelnen von uns gilt das.
 "O Mensch, wie sollte Gott deine Existenz nicht genau kennen, der doch dafür sorgte, dass du die Existenz erhieltest? Warum glaubst du nicht, dass auch du zur Ordnung der Schöpfung gehörst? Glaube nicht dem Verführer. Sogar "deine Haare sind gezählt" vom Schöpfer (Mt 10,30)" Das sagt schließlich der Herr im Evangelium zu seinen Jüngern. Sie sollen den Tod nicht fürchten und nicht meinen, durch den Tod irgendetwas von ihrem Eigentum zu verlieren. Sie fürchten im Tod für ihre Seele, er aber gab ihnen sogar die Sicherheit für ihre Haare Augustinus,, En. in Ps 109,2. CCL 40 (Turnhout 1956)1602..

So weist Augustinus Menschen zurecht, die Angst vor dem Tod haben. Christus selbst bezeugt im Evangelium die Treue Gottes zu jedem Geschöpf, die sich darin äußert, dass Gott nicht zulässt, dass auch nur ein Haar gekrümmt wird. Natürlich ist eine solche Aussage eine Zumutung für unsere Erfahrung, denn wir erleben ja sehr wohl, dass uns selbst oder anderen Menschen auf mehr oder weniger schlimme Weise das Leben beeinträchtigt oder geschädigt wird. Aber Augustinus argumentiert hier: Wen Gott kennt, der kann nicht wirklich verloren gehen. “Kennen” verwendet Augustinus hier in biblischem Bedeutungsumfang. Darnach ist “Kennen” auch eine Form innigster Verbundenheit, Liebe. (vgl. z.B. Gen 4,1: Adam erkannte seine Frau Eva) Augustinus will sagen, dass es keineswegs so ist, dass Gott einmal Geschöpfe ins Dasein geworfen hat und sie dann ihrem Schicksal überlässt. Solche Gedanken schreibt er dem Verführer zu, der wie die Schlange im Paradies im Menschen Misstrauen gegenüber der Treue Gottes wecken will, um so den Menschen in seine Gewalt zu bekommen. Dagegen argumentiert Augustinus mit der Liebe des Schöpfers, der sich mit Sorgfalt um seine Geschöpfe kümmert. Das Vertrauen auf diese getreuliche Sorge Gottes ist der Grund für die Zuversicht des hl. Augustinus, dass uns nichts geschehen kann. Dieses Vertrauen bietet die Chance, dass wir unsere Augen für eine neue Wertordnung öffnen - um auch angesichts offensichtlichen Leids zu verstehen, dass “nichts uns trennen kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist” (Röm 8,39).

Auch menschliche Grausamkeit nicht. Auch Folter, Demütigung und Vergewaltigung nicht, wenngleich uns manchmal Zweifel kommen, ob Gott wohl wirklich stärker als der Tod ist, und ob seine Treue wohl bis in den Tod reicht.
Was Gott “will”, das ist da. Dieses “Wollen dass etwas da ist” ist Liebe. Das gilt auch jetzt., für die Schöpfung als Ganze und für jedes einzelne Geschöpf, für jeden einzelnen Menschen. Die Existenz der Welt, dass überhaupt etwas da ist und nicht nichts, ist deshalb ein erster Beweis dafür, dass Gott die Welt noch immer will, und das heißt, dass er sie liebt.

Gott hat seine Schöpfung in die Zeit entlassen. Er hat auch die Zeit geschaffen. Nur deshalb kann es überhaupt Entwicklung geben, nur deshalb kann es Wachstum und Vergehen geben, nur deshalb kann es auch Treue geben. Denn all das braucht die Ausdehnung in der Zeit. Wir müssen deshalb davon ausgehen, dass Gott die Welt auf Wachstum und Entwicklung hin angelegt hat. Genau das ist ein Element ihrer Freiheit. Denn nur da, wo nicht alles in einem Augenblick entschieden ist, kann sich diese Freiheit entfalten. Ebenso auch die Liebe. Der Augenblick der Entscheidung: Ich will dich, ist ein Akt der Liebe, aber keine Treue. Treue ist Liebe, die sich auch dann nicht beirren lässt, wenn andere Zeitumstände eintreten. wenn die Zeit lang wird, wenn sich der Geliebte ändert.
Augustinus erklärt, wie wunderbar die Schöpfung durch das Wort genau dieser Möglichkeit der Entwicklung Rechnung trägt: In seiner Erklärung des ersten Schöpfungsberichtes zeigt er, wie der Ruf durch das Wort, der am Anfang steht: Gott sprach... und es wurde” einen Entwicklungsprozess in Gang setzt, der darin besteht, dass die Schöpfung als Ganze sich vom Wort durchformen lassen soll. Erst dann, wenn dieser Formungsprozess abgeschlossen ist und die Schöpfung wirklich die Schönheit des Schöpfers widerspiegelt und sich in seinem Wort aussprechen kann, ist sie vollendet. Damit wird gezeigt, dass die Vollendung derKreatur durch das Wort erfolgt. Sie wird zum Schöpfer zurückgerufen um, ihm anhangend, geformt zu werden und ihn nachzuahmen wie es ihrer Art entspricht.  Augustinus, Gen ad lit.1,4. CSEL 28,1 (1894) 8.
 Eine besondere Rolle spielt in diesem Vollendungsprozess der Mensch, das Ebenbild Gottes. Er ist in besonderem Maße dazu bestimmt, Hörer des Wortes zu sein, denn als geistiges Wesen kommt es ihm zu, den Ruf des Wortes zu hören, es in seinen Geist eindringen zu lassen und zu antworten. Die Antwort des Menschen besteht darin, sich vom Wort Gottes ganz formen zu lassen und sich dann in diesem Wort dem Schöpfer zurückzugeben. Gottes Wort ist so sehr Wirklichkeit, es ist sosehr die Wahrheit seines Inhaltes, dass es zum Menschen gesprochen, selbst Mensch wird. Diese Bewegung des Wortes auf den Menschen zu, seine Fleischwerdung, ist nicht durch den menschlichen Sündenfall bedingt, sondern sie liegt in der Natur des Schöpfungsgesprächs zwischen Gott und Mensch. Wenn das Wort Gottes sich im Menschen verwirklicht und der Mensch sich in diesem verwirklicht zu seiner höchsten Vollendung, dann ist auch das Treueverhältnis zwischen dem Schöpfer und seinem Geschöpf zu einer unauflöslichen Verbundenheit gekommen. Augustinus sieht deshalb in der Menschwerdung des Sohnes Gottes die Vollendung der Schöpfung, die Gott am Anfang bewusst unvollendet gelassen hat, damit der Mensch zum Mitarbeiter Gottes an der Schöpfung werden solle.

Sr. Placida Bielefeld, Abtei Mariendonk