Den Frieden suchen

Über dem Portal vieler Klöster steht das Wort Pax - Friede. Ein Kloster sollte ein Ort des Friedens sein und seine Mönche oder Nonnen Menschen, die im Frieden leben und andere zum Frieden führen. In der Benediktusregel steht bereits im Prolog das Wort aus Ps 34,15: „Suche den Frieden und jage ihm nach.“ Diese Aufforderung ist nur allzu berechtigt, denn Friede ist in unserer Welt ein kostbares und seltenes Gut.

Friede heißt im Hebräischen Schalom und meint das umfassende Heil, d.h. einen Zustand, in dem ich mit Gott, mit meinen Mitmenschen und mit mir selbst in Übereinstimmung lebe. Das ist, wie wir alle wissen, schwierig, denn wirkliche Übereinstimmung ist mehr als nur ein Zustand, wo ich mich still verhalte, um meine Ruhe zu haben, mehr auch als nur Abwesenheit von Kampfhandlungen. In der Hölle ist es vermutlich ruhig und beschaulich, aber es gibt dort keinen Frieden. Im Gegenteil sagt ein altes Sprichwort: „Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg“ oder wie ich lieber sagen würde: „Wenn du Frieden willst, mach dich auf Kämpfe und Auseinandersetzungen gefasst.“
Die Bibel beginnt mit der Aussage: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde;  die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut, und Gottes Geist schwebte über dem Wasser“ (Gen 1,1f). Sie werden nun fragen, was das mit dem Thema Frieden zu tun hat. Sehr viel, wenn wir uns klarmachen, dass jeder Text der Bibel aktuell ist, d.h. uns nicht erzählt, was irgendwann früher, in grauer Vorzeit, geschah, sondern was sich jetzt im hier und heute ereignet. Gottes Wirken besteht bleibend darin, in dem Chaos, dem Tohuwabohu Frieden und Heil, eben Schöpfung zu schaffen. Das Chaos kann dabei sehr unterschiedlich aussehen:
∙    eine schwere Krankheit
∙    ein Hauptbahnhof im Berufsverkehr mit vielen gehetzten Menschen
∙    Ärger, Unzufriedenheit, Traurigkeit in uns
Gottes Geist ist über jedem Chaos. Er ist der Gott, der da ist und mit ihm sein Friede. In diesem Sinn müssen wir dem Frieden gar nicht nachjagen, denn er rennt nicht vor uns weg. Allerdings besteht die ernste Gefahr, dass wir uns von Gott und seinem Frieden entfernen, vielleicht auch weil wir ihn nicht wahrnehmen.
Denn was heißt Friede mit Gott und was heißt es nicht? Es heißt nicht Ruhe und Leidfreiheit wie im Buddhismus. Wir Christen leben in einer nicht aufzulösenden Spannung, denn wir dienen einem Gott, der sich ständig entzieht. Nicht das Gefunden-haben Gottes, sondern die dauernde Gottsuche kennzeichnet unseren Glauben. Wir haben diesen Gott nicht und wir haben auch die Beziehung zu ihm nicht. Ein einziges Gebet ist, wenn wir versuchen, es wirklich zu vollziehen, eine unglaubliche Herausforderung, ganz zu schweigen von einem längeren Gottesdienst. Das bedeutet, dass unser Leben von Anstrengung, ja in gewisser Weise von einer permanenten Überforderung gezeichnet bleibt und gezeichnet bleiben muß.

Friede mit Gott ist nicht „mein“ Friede, sondern der Friede, den Gott denen schenkt, die ihm vertrauen und auf seinen Ruf antworten. Dieser Ruf lautet immer: „Zieh weg aus deinem Land, in ein Land, das ich dir zeigen werde“ (Gen 12,1). Maßstab für gelingendes christliches Leben ist darum einzig und allein die Aufrichtigkeit unserer Antwort auf Gottes Ruf und die damit verbundene Verlagerung des Schwerpunktes unseres Lebens weg von uns auf ihn hin. Ein Christ ist ein Mensch, der gerade nicht in sich selbst ruht (auch innerer Frieden ist nicht unbedingt der Maßstab), sondern der das Glück und den Frieden außerhalb seiner selbst in Gott sucht und findet. Diesem Frieden und damit Gott selbst nachzujagen, lohnt sich!

Äbtissin Christiana Reemts, Abtei Mariendonk