DIe Sorge für die Kranken

Krankenheilung

Stark und zart
im warmen
Erbarmen
Kranke umarmen,
Kleinen,
die weinen,
zu Hilfe eilen
ist Gottes Art,
Schöpfung
zu heilen.
Zur Ruhe betten
am eigenen Herzen
heisst
Schöpfung
retten,
ist
Leben verströmen
in Jesus Christ.

Silja Walter OSB (GA Band 8)

 

Die Sorge für die Kranken  muss vor und über allem stehen: man soll ihnen so dienen, als wären sie wirklich Christus... Daher sei es die Hauptsorge des Abtes, dass sie unter keiner Vernachlässigung zu leiden haben. ( (RB 36)                                                                                

Benediktinische Spiritualität verlockt dazu, diejenigen zu achten und zu besuchen, die Jesus liebend anschaute und heilte. Wir selbst werden heiler, indem wir unsere gesunde Kraft,  Lebensmut und Kompetenz den Kranken schenken. Wie viel Zeit und Zuneigung geben wir denjenigen, denen hier noch wenig Zeit bleibt? Wie viel Zuwendung erweisen wir den Schwachen und Einsamen?

Den Kranken und Bedürftigen sind im Evangelium die Seligpreisungen gewidmet, sie werden uns ins Land der Verheißungen mitnehmen.   Im Abtskapitel der Benediktsregel finde ich eine fürsorgliche Haltung für die Beziehung zu meinen Schwestern in ihrer Verschiedenheit: Des Abtes Befehl und seine Lehre sollen wie Sauerteig göttlicher Heilsgerechtigkeit die Herzen seiner Jünger durchdringen. Nach der Eigenart und Fassungskraft jedes Einzelnen soll er sich auf alle einstellen und auf sie eingehen.(RB 2)

Als Leitende lerne ich meine Schwestern, ihre seelische und körperliche Kraft und Schwäche neu kennen. Gebrechlichkeit, chronische Schmerzen, Verlust des Seh- oder Hörvermögens und der Konzentration verändern Menschen auch im Wesen. Manche ziehen sich zurück, werden sich und uns fremd. Andere erfahren durch Alter oder Krankheit eine tiefe Reifung: sie werden innerlich stark und gütig. Der persönliche Weg einer Schwester, ihre Bedürftigkeit anzunehmen, ist weit und jede bewältigt ihre körperliche Erkrankung auf ihre Weise.

In Entscheidungen für gute Begleitung und Pflege versuche ich die intellektuelle und emotionale Fassungskraft aller Beteiligten ernst zu nehmen. Wir richten einen Flügel des Hauses so ein, dass die Pflegebedingungen hilfreich sind. Wir leisten häusliche Pflege mit unserer Infirmarin Sr. Brigitte und mit kompetenter Unterstützung durch unsere Sozialstation. Viele Ruhestandsschwestern helfen geduldig unseren hochbetagten Schwestern.

 Der Abt lasse sich vom Gespür für den rechten Augenblick leiten und verbinde Strenge mit gutem Zureden. (RB 2)

Vom Abt wird hohe Intuition und Unterscheidungsfähigkeit verlangt. Mit dieser ‚Discretio’ entwickelt er ein feines Gespür nicht nur für Konflikte, sondern auch für heilsame Widerstandskraft. In neuen Therapieformen  kommt der Resilienz wachsende Bedeutung zu. ‚Resilienz’ist die seelische Widerstandsfähigkeit, mit der tief verletzte oder unter Gewalt aufgewachsene Menschen Lebenskrisen durchstehen. Die Discretio für meine Mitschwestern beruht auch auf der Fähigkeit, einsichtig zu werden - ihnen und  mir selbst gegenüber, in ihre und meine Widerstandskraft und Schwachheit.

Unser Zusammenleben im „Mehrgenerationenhaus“ braucht gute Absprachen und gegenseitigen Respekt. Wir lernen miteinander in Alter und Krankheit zusammen zu stehen und feinfühlig zu werden, wenn wir einander nicht verstehen oder kränken. Die Einbindung der betagten Schwestern in den klösterlichen Rhythmus ordne ich zusammen mit meiner Subpriorin individuell und versuche, jeder einen ihren Kräften und geistlichem Leben angemessenen Rahmen zu geben.

Ein Leben lang werden wir in unserer Gemeinschaft lernen, einander zu achten und zu ver-stehen. Die gute Kraft für Ja und Nein, für Hoffnung, Tragen und Verzeihen kommt von Gott und wird in Christus sichtbar. Es ist gut, unter der heilsamen Weisung Seines Evangeliums unterwegs zu sein.

Sr. Friederike Immanuela Popp